Ein sehr interessantes Thema und auch mir immer wieder aufs Neue bekannt
Als ich/wir noch berufstätig war/en, sieben Tage die Woche, meistens 10-14 Std. am Tag, 310 Tage am Stück ohne Urlaub, alle gesetzlichen Feiertage gearbeitet, die Kinder die Ferien mit Oma und Opa verbrachten oder in Jugendfreizeiten geschickt wurden, wir an örtlichen Wochenendveranstaltungen nie teilnahmen weil wir auch an den Wochenenden arbeiteten ... da hat uns jeder dumm angeschaut, auch lauthals ausgelacht und für verrückt gehalten so maßlos zu arbeiten und war uns nicht neidisch.
Jetzt, wo wir beide aus dem Berufsleben raus sind und mehrmals im Jahr unterwegs sind, werden immer wieder Stimmen darüber laut, zumal ich die EMR beziehe (mein Mann ist noch ein Jahr in der Altersteilzeit und wechselt dann, nach 51 Berufsjahren, in die Altersrente), dass wir "ständig" unterwegs wären.
Bereits während meines langen Krankenstands sind wir öfters weggefahren (es musste nicht immer weit weg sein) und das auch auf ärztlichem Rat hin, da ein gesundheitliches Problem sich bei mir herauskristallisiert hatte, dass ich nämlich zu Hause verstärkt unter Panik, Angst und vor allem unter Anwesenheitsdruck litt.
Die ständige berufliche Präsenz hatte bei mir über Jahre Spuren hinterlassen. Immer erreichbar und ansprechbar zu sein, für alle und jeden da sein zu müssen und verantwortlich zu sein, das alles erdrückte mich und mein Kopf fand nie Abstand und Ruhe.
Kein freier Tag, kein Urlaub mit der Familie, die Kinder in den Ferien in Freizeiten schicken und wenn wir Betriebsferien machten und mal ein oder zwei Wochen ohne Kinder wegfuhren (wurden von den Großeltern betreut) begleitete uns das schlechte Gewissen ihnen gegenüber.
Von 6 Wochen Betriebsferien/gesetzlicher Urlaub waren wir maximal zwei Wochen weg, den Rest verbrachten wir mit Renovierungsarbeiten im Betrieb.
Psychotherapeutisch habe ich meinen inneren Druck, immer erreichbar und präsent sowie für alle und jeden da sein zu müssen, aufgearbeitet. Auch nach fast nunmehr zehn Jahren ist er immer noch da und ich kann komplett nur abschalten, wenn ich mich, wie Doppeloma mit ihrem Dopa, auf einem Kreuzfahrtschiff befinde. Sind wir mit dem Auto oder dem Flugzeug unterwegs, so lasse ich gedanklich immer noch nicht los, habe immer das Gefühl, dass ich jederzeit zurück kann, wenn man mich braucht.
Legt das Schiff aber ab und die Reise beginnt, dann wird mein Kopf frei. Mein Psychologe und ich kamen zu dem Gedankengang, dass ich dann weg von Land und Boden bin und es für mich zunächst unerreichbar und unmöglich ist, auf Zuruf heimzukehren. Ich bin dann frei!
Mein Umfeld wundert sich natürlich, dass wir nun sehr viel reisen und denken auch, dass ich das doch eigentlich gar nicht schaffen kann, da ich doch krank bin.
Dass es mir dabei besser geht und mir mehr wert ist als jede Therapie, kann ich diesen Menschen nicht vermitteln und ich will es Ihnen auch gar nicht erklären, besser gesagt, mich nicht ständig erklären müssen.
Krank sein bedeutet nicht gleichzusetzen mit Bettlägerigkeit und Wegeunfähigkeit.
Wir schauen natürlich bei der Wahl unserer Reisen, dass es von den körperlichen Strapazen in Grenzen bleibt. Anstatt lange Autofahrten zu meistern werden Zwischenübernachtungen eingeplant oder wir reisen gleich mit der Bahn. Bei Flugreisen bitten wir immer um Gangplätze, so kann ich jederzeit aufstehen und mich bewegen.
Und die beste und nicht so strapaziöse Art viele verschiedene Städte und Länder zu sehen und erleben, ist für mich immer noch das Reisen mit dem Kreuzfahrtschiff. Einmal Koffer packen, einmal anreisen und dann nur noch genießen.
Und nein, nicht jeder Urlaub/Kreuzfahrt ist finanziell auch Luxus, man bekommt so manches Schnäppchen.
Dass sich auch das tollste Schnäppchen nicht jeder leisten kann ist mir bewusst, aber muss man es demjenigen denn neiden der es kann?
Und genau das ist der gängigste Hintergrund, den ich dann heraushöre wenn mich jemand darauf anspricht, dass ich doch eigentlich krank bin und trotzdem doch so oft verreise.
Es geht ihnen meistens nicht darum sich Gedanken um meinen Gesundheitszustand zu machen, vielmehr spricht aus ihnen der Neidfaktor!
Doch ich muss mich nicht erklären, schämen oder verstecken, meine Rentenanwartschaft habe ich im Berufsleben durch jahrelanger harter und krankmachender Arbeit erworben.
Ich erkläre mich denen nicht, denn früher haben sie über uns gegrinst, als wir bis zum Umfallen geschuftet haben, sodass ich darüber krank wurde. Da hat auch keiner gefragt, wie es mir geht!
Meine Oma hatte einen Leitspruch an der Wand hängen und der lautete:
"Wenn Neider, Hasser dich umringen, dann denk an Götz von Berlichingen"
(Mit anderen Worten abgekürzt, L m a A

)
Liebe Stadtpflanze, ich wünsche dir auf jedenfall eine schöne erholsame Reise. Schalte vom Alltag und von diesen unflätigen Mitmenschen ab und genieße jeden Tag, am besten schmerzfrei/-arm.
Lieben Gruß sendet agnes
