Halle,
zur Kenntnisnahme:
In der Vergangenheit haben nicht wenige Versicherte ihren Krankengeldanspruch verloren, weil ihr Arzt eine Folge-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht spätestens am letzten Tag der zuvor bescheinigten Dauer der Arbeitsunfähigkeit erteilt hat. Das Bundessozialgericht hat nun entschieden, dass der Anspruch auf Krankengeld ausnahmsweise trotzdem erhalten bleibt, wenn der Arzt mangels Kenntnis der Rechtslage irrtümlich von der zeitgerechten Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit abgesehen hat.
Versicherte, denen in solchen Fällen in der Vergangenheit weiteres Krankengeld versagt wurde, sollten prüfen, ob sie nachträglich Ansprüche geltend machen können.
Nicht nur vielen Versicherten, auch vielen Ärzten war nicht bekannt, dass in der Vergangenheit der Anspruch auf weiteres Krankengeld entfallen konnte, wenn eine Folge-AU-Bescheinigung nicht überlappend, sondern erst nach Ablauf der vorangegangenen AU-Bescheinigung ausgestellt worden ist. Hintergrund: Nach den bis 22. Juli 2015 gültigen Bestimmungen entstand der Anspruch auf Krankengeld erst von dem Tag an, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit folgte.
Lief die ursprüngliche AU-Bescheinigung z.B. bis zum 1. Juni und wurde erst am 2. Juni eine Folge-AU-Bescheinigung ausgestellt, bestand für den 2. Juni kein Krankengeldanspruch. Die ursprüngliche Bescheinigung wirkte nur bis zum 1. Juni, die Folgebescheinigung vom 2. Juni aufgrund der gesetzlichen Regelung erst ab dem Folgetag, also ab dem 3. Juni.
Richtig problematisch wurde es in Fällen, in denen Versicherte zwischenzeitlich aus einem Beschäftigungsverhältnis oder dem Arbeitslosengeld-I-Bezug ausgeschieden sind.
Die sich aus dem Beschäftigungsverhältnis oder Arbeitslosengeld-I-Bezug ergebende Krankenversicherungspflicht samt Krankengeldanspruch bleibt nämlich über das Ausscheiden hinaus erhalten, solange Krankengeld bezogen wird. Endet der Krankengeldanspruch und wurde noch keine neue Krankenversicherungspflicht z.B. durch Aufnahme einer neuen Beschäftigung begründet, besteht bei erneuter Arbeitsunfähigkeit kein Krankengeldanspruch mehr – auch wenn die Lücke nur minimal ist.
In der eingangs geschilderten Fallkonstellation endete der Krankengeldanspruch mit dem 1. Juni. Durch die Folge-AU-Bescheinigung vom 2. Juni mit Wirkung ab 3. Juni konnte kein neuer Krankengeldanspruch mehr entstehen.
Seit dem 23. Juli 2015 sind die gesetzlichen Bestimmungen etwas entschärft. Seither gilt, dass der Krankengeldanspruch schon vom Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit an (und nicht erst ab dem Folgetag) besteht. Zudem ist geregelt, dass ein Krankengeldanspruch bis zum Tag der Feststellung der weiteren Arbeitsunfähigkeit wegen derselben Krankheit bestehen bleibt, wenn die ärztliche Feststellung spätestens am nächsten Werktag nach dem zuletzt bescheinigten Ende der Arbeitsunfähigkeit erfolgt.
Weiter wurde klar gestellt, dass Samstage nicht als Werktage gelten. Es brennt also nichts mehr an, wenn eine Folge-AU-Bescheinigung nicht überlappend, sondern „nur“ nahtlos im Anschluss an die vorangegangene Bescheinigung ausgestellt wird.
Doch nun zu dem aktuellen Urteil des Bundessozialgerichts vom 11. Mai 2017 (Az. B 3 KR 22/15 R). In dem zugrundeliegenden Verfahren meinte ein Hausarzt, der Klägerin brauche am letzten Tag der bisher bescheinigten AU-Dauer nicht erneut Arbeitsunfähigkeit attestiert zu werden, weil dies bei einem am Folgetag vereinbarten Termin durch eine Fachärztin ohnehin erfolgen werde (was auch geschah).
Die Krankenkasse verweigerte daraufhin unter Berufung auf die bis zum 22. Juli 2015 gültigen gesetzlichen Bestimmungen (Erfordernis überlappender AU-Bescheinigungen) die Weitergewährung von Krankengeld. Das Bundessozialgericht hat dagegen den Anspruch auf weiteres Krankengeld bejaht. Eine Krankenkasse müsse unter engen Voraussetzungen ausnahmsweise Krankengeld gewähren, wenn die Fehleinschätzung des Arztes über die Notwendigkeit einer AU-Bescheinigung auf nichtmedizinischen Gründen beruhe.
Aufgrund der AU-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen (GBA), die – anders als das Gesetz – eine rückwirkende AU-Attestierung erlauben, könne regelmäßig nicht angenommen werden, dass ein Arzt weiß, dass ein solches Attest zum Verlust langzeitiger Krankengeld-Ansprüche des Versicherten führen kann. Die Krankenkassen wirken durch Vertreter an den Beschlüssen des GBA mit. Deshalb erscheine es treuwidrig, wenn sich die Krankenkassen bei dieser Sachlage trotz ihrer Mitverantwortung für die Richtlinien von ihrer Leistungspflicht befreien könnten.
Versicherte, denen in der Vergangenheit in vergleichbaren Fällen Krankengeld versagt wurde, sollten darüber nachdenken, ihren Krankengeldanspruch unter Berufung auf das aktuelle Urteil des Bundessozialgerichts erneut geltend zu machen. Leistungsansprüche für die Zeit seit Januar 2013 sind noch nicht verjährt.
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Gruß
Anja