Beispiel einer Fehlbegutachtung?

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vid
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Beispiel einer Fehlbegutachtung?

Ungelesener Beitrag von vid » Sa 3. Aug 2013, 14:05

Mein Sozialmedizinisches Gutachten, welches vom MdK im letzten Jahr erstellt wurde kann man sicherlich als fehlerhaft bezeichnen.
Damals musste ich mich, wegen meiner AU aufgrund von schweren Mobbing und Ausgrenzungen im Betrieb, vom MdK begutachten lassen.
Von meiner, seit 2006 bekannten, rheumatischen Erkrankung wollte der Gutachter nichts wissen und bezeichnete meine körperlichen Beschwerden als Somatisierung
Die Diagnosen des MdK-Gutachters:
Zustand nach Innenmeniskusteilresektion
Anpassungsstörung und Somatisierung
Dazu schrieb er:
Bei der Somatisierung dürften nach dem heute erhobenen Befund teibewußte und unbewußte Aspekte eine Rolle spielen.
Eine psychsomatische Rehabilitationsmaßnahme verspricht nach vorheriger Primärdiagnostik und Primärtherapie einen Nutzen.
Eine Berentung ist nicht zu erwarten.
Die Integration der V. in das tatsächliche Erwerbsleben ist jedoch in Gefahr.
In diesem Sinne ist die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet.
Die Vorausetzungen gemäß § 51 SGB V sind erfüllt.

Im Gegensatz dazu sieht mein Rheumatologe meinen Gesundheitszustand so:
Diagnose:
Arthopathia psoriatica mit Achsenskelett- und oligoartikulärer Beteiligung peripherer Gelenke;
Daktylitis DIP V re.
Schmerzhafte Beeinträchtigung des Bewegungsapparates mit objektivierbaren entzündlichen und mechanisch hervorgerufenen Schäden; schmerzhafte funktiones laesae;
gestörte Gesamtbefindlichkeit: über die Psoriasis; bei Z. n. Hemikolektomie; bei relativer zellulärer Abwehrschwäche mit gemindertem Vermögen, chronische Infektionen zu überwinden.

Mit seiner Einschätzung zur Berentung lag der MdKler auch nicht richtig, denn zehn Monate später wurde mir eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt.

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Doppeloma
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Re: Beispiel einer Fehlbegutachtung?

Ungelesener Beitrag von Doppeloma » So 4. Aug 2013, 02:23

Hallo vid, :smile:
Mein Sozialmedizinisches Gutachten, welches vom MdK im letzten Jahr erstellt wurde kann man sicherlich als fehlerhaft bezeichnen.
Damals musste ich mich, wegen meiner AU aufgrund von schweren Mobbing und Ausgrenzungen im Betrieb, vom MdK begutachten lassen.
Ich denke mal hier ist der Knackpunkt, wo du glaubst, dass der MDK nicht korrekt begutachtet hat ... nur warst du ja (nach deiner Beschreibung zu urteilen) im letzten Jahr nicht wegen deiner rheumatischen Erkrankung AU geschrieben, sondern wegen der psychischen Probleme, die aus deinem Arbeitsverhältnis entstanden waren.

Der MDK wird von deiner KK beauftragt die (weitere) Notwendigkeit einer gerade aktuellen AU zu überprüfen, es geht nicht darum sich früheren Krankheiten und/oder chronischen anderen Krankheitszuständen zu widmen, sondern NUR um die Bewertung der aktuellen AU und da war es eben die Psyche, um die es gerade ging.

Das mag dir nicht gefallen, aber genau das war zu diesem Zeitpunkt der Auftrag deiner KK an den zuständigen MDK, dich zur aktuellen Diagnose zu begutachten und Empfehlungen für das weitere Vorgehen (Anregung einer Reha-Maßnahme nach § 51 SGB V) im erforderlichen Fachgebiet (hier Psychosomatik) an die KK zu geben.
Von meiner, seit 2006 bekannten, rheumatischen Erkrankung wollte der Gutachter nichts wissen und bezeichnete meine körperlichen Beschwerden als Somatisierung
Die Diagnosen des MdK-Gutachters:
Zustand nach Innenmeniskusteilresektion Anpassungsstörung und Somatisierung
Es ist auch die Frage zu stellen, welcher Fachrichtung der MDK-Arzt angehörte, auch die sind keine medizinischen "Allround-Talente" und kennen sich nicht mit allen Fachgebieten aus, ich nehme mal an es war eher ein Psychiater /Neurologe/ und sicher kein Rheumatologe, denn deine AU war ja nicht deswegen gelaufen ...
Vermutlich "wollte" er deswegen nicht viel dazu hören, denn es war nicht sein Auftrag dich deswegen zu untersuchen und hat daher nur andeutungsweise und eher allgemein gehalten zu zusätzlichen orthopädischen Problemen was geschrieben. :Gruebeln:
Dazu schrieb er:
Bei der Somatisierung dürften nach dem heute erhobenen Befund teibewußte und unbewußte Aspekte eine Rolle spielen.
Eine psychsomatische Rehabilitationsmaßnahme verspricht nach vorheriger Primärdiagnostik und Primärtherapie einen Nutzen.
War zu diesem Zeitpunkt, auf deine geschilderte psychische Problematik ja nicht so ganz "daneben" ...
Eine Berentung ist nicht zu erwarten.
Das auch nicht, weil er es auf die rein psychosomatische Erkrankung bezogen hat, die hielt er nicht für ausreichend schwer für eine Berentung, wobei das letztlich auch nicht der MDK zu entscheiden hat, wie wir ja hier alle wissen ...
Die Integration der V. in das tatsächliche Erwerbsleben ist jedoch in Gefahr.
In diesem Sinne ist die Erwerbsfähigkeit erheblich gefährdet.
Die Vorausetzungen gemäß § 51 SGB V sind erfüllt.
Das sind die allgemein üblichen Formulierungen (unabhängig von einer konkreten Diagnose), die dann die KK berechtigen dich zum Antrag auf med. Reha aufzufordern, das ist eigentlich ALLES, was die KK dann wirklich als Ergebnis lesen will ... welche Krankheiten das erforderlich machen, interessiert die dann nicht mehr ernsthaft ...
Um die Wahl der geeigneten Reha-Klinik sollte man sich dann deswegen ja auch zusammen mit seinem behandelnden Arzt kümmern, es gibt ja durchaus auch Reha-Kliniken für "kombinierte Erkrankungen" ...
Im Gegensatz dazu sieht mein Rheumatologe meinen Gesundheitszustand so:
Diagnose:
Arthopathia psoriatica mit Achsenskelett- und oligoartikulärer Beteiligung peripherer Gelenke;
Daktylitis DIP V re.
Schmerzhafte Beeinträchtigung des Bewegungsapparates mit objektivierbaren entzündlichen und mechanisch hervorgerufenen Schäden; schmerzhafte funktiones laesae;
gestörte Gesamtbefindlichkeit: über die Psoriasis; bei Z. n. Hemikolektomie; bei relativer zellulärer Abwehrschwäche mit gemindertem Vermögen, chronische Infektionen zu überwinden.
Das ist kein Gegensatz, denn dein Rheumatologe beschäftigt sich mit einem ganz anderen Fachgebiet, damit kennt er sich bestens aus und so sind seine Feststellungen in diesem Fachbereich sicher über (fast) jeden Zweifel erhaben, nur hat ER (vermutlich) leider keine Ahnung (oder nur wenig) von psychischen Problemen, wie sie der MDK aber zu beurteilen hatte.
Mit seiner Einschätzung zur Berentung lag der MdKler auch nicht richtig, denn zehn Monate später wurde mir eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bewilligt.
Ich vermute mal überwiegend wegen der rheumatischen Erkrankung und nicht hauptsächlich wegen deiner psychischen Probleme :Gruebeln: , so könnte man auch feststellen, dass BEIDE richtig gelegen haben und Recht hatten mit ihrer Einschätzung, jedenfalls zum entsprechenden Zeitpunkt ... :confused: :Gruebeln:

Auch wenn wir hier mit vielen GA nicht wirklich klar kommen und "zufrieden" sind, sollte man doch differenzieren wer wann und wofür eine ärztliche Stellungnahme abgibt und welche Krankheitszustände da gerade im Vordergrund stehen oder ob es sich um eine "Gesamtbegutachtung" handelt, wie es für die EM-Rente erforderlich ist/wäre, wenn unterschiedliche Fachbereiche befragt werden müssen.

Vielleicht als kleines Beispiel, wurde ich auch nicht (nur) wegen internistischer Probleme berentet, obwohl ich am Herzen operiert wurde und seither massive Leistungseinschränkungen im Berufsleben hatte, auch der gerichtliche GA hat hier keine unbedingte Vollrente gesehen, allerdings auf die spezifischen, zusätzlichen Ergebnisse des psychiatrischen GA verwiesen, weil er sich zu diesem Fachgebiet nur unvollkommen äußern könne.

Der Psychiater ist ergänzend auf die psychischen Probleme eingegangen, die mir insgesamt eine berufliche Tätigkeit (zumindest Vollzeit, wahrscheinlich auch Teilzeit) für die Zukunft unmöglich machen werden ...

Bei mir hatte sich übrigens der MDK überhaupt nicht zu Berentung geäußert, der Rest waren fast die gleichen Formulierungen wie bei dir ...also Reha-beantragen müssen ... MEHR wollte die KK auch bei mir nicht erreichen mit diesem MDK-GA ... "ohne eine gewisse Gefährdung der Erwerbsfähigkeit anzunehmen", darf die KK eben den § 51 SGB V gar nicht anwenden, die DRV kann das später beim Antrag auf EM-Rente durchaus wieder ganz anders sehen ...

Es gibt keine Möglichkeit GA verschiedener Behörden aus verschiedenen Zeitpunkten und auch noch von verschiedenen Fachrichtungen in haargenaue Übereinstimmung zu bringen, zumal die jeweilige Behörde auch immer ihre eigenen Interessen dabei verfolgt ... zudem ist Gesundheit /Krankheit keine feste unabänderliche Größe ... selbst Ärzte der gleichen Fachrichtung können u.U. total unterschiedliche GA schreiben zur selben Person ...

Trotzdem können Beide richtig liegen, denn Ärzte sind auch nur Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungswerten und ja auch einer unterschiedlichen "eigenen Meinung", Einer bezeichnet was als schweren Krankheitszustand, was ein anderer noch als leicht "befundet" ... so könnte man das endlos weiterführen, da gibt es ganz sicher krassere Beispiele als in deinem Falle ...

Das erscheint bei näherer Betrachtung eigentlich noch recht "folgerichtig" ... trotzdem war es interessant, das mal so zu analysieren ...vielen Dank für deine Mühe. :ic_up:

Liebe Grüße von der Doppeloma :umarm:
Was mich nicht umbringt macht mich stärker!

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Re: Beispiel einer Fehlbegutachtung?

Ungelesener Beitrag von vid » So 4. Aug 2013, 07:03

Hallo Doppeloma,

vielen Dank für deine Mühe mir das Ganze zu erklären.

Was mir daran nicht gefällt, ist die Diagnose Somatisierung. Ist es denn nicht so, das so eine Diagnose gestellt wird, wenn keine körperlichen Ursachen für die die Beschwerden erkennbar sind?

Meine Erkrankungen trage ich praktisch sichtbar vor mir her. Die Daktylitis an der re. Hand ist deutlich sichtbar und ein eindeutiges Zeichen für eine Psoriasis Arthopathie.
Eine Polyarthrose liegt auch noch vor, welche durch deutlich verdickte Fingerendglieder an allen Finger erkennbar ist.

Aufgrund dieser Tatsachen war ich der Meinung, das die Diagnose Somatisierung nicht richtig sein kann, denn meine Schmerzen sind alleine durch die oben genannten Erkrankungen erklärbar.

Die im Gutachten geforderte psychosomatische Reha fand zum Glück nicht statt. Ich dacht mir damals nur: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Anstatt die Mobber in ihrem Tun zu hindern, soll ich ich zur psychosomatischen Reha.

Liebe Grüße

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reallyangry
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Re: Beispiel einer Fehlbegutachtung?

Ungelesener Beitrag von reallyangry » So 4. Aug 2013, 14:22

Hallo vid,
du schreibst:
Meine Erkrankungen trage ich praktisch sichtbar vor mir her. Die Daktylitis an der re. Hand ist deutlich sichtbar und ein eindeutiges Zeichen für eine Psoriasis Arthopathie.
Eine Polyarthrose liegt auch noch vor, welche durch deutlich verdickte Fingerendglieder an allen Finger erkennbar ist.

Aufgrund dieser Tatsachen war ich der Meinung, das die Diagnose Somatisierung nicht richtig sein kann, denn meine Schmerzen sind alleine durch die oben genannten Erkrankungen erklärbar.

Die im Gutachten geforderte psychosomatische Reha fand zum Glück nicht statt. Ich dacht mir damals nur: Das kann doch wohl nicht wahr sein. Anstatt die Mobber in ihrem Tun zu hindern, soll ich ich zur psychosomatischen Reha.
Ich stimme dir zu, der MDK Arzt hätte da wesentlich besser differenzieren müssen. Aus "Rheumaschmerzen" eine Somatisierungsstörung zu machen ist schon heftig.
Psychische Folgen von Mobbing sind andere, als sich Schmerzen einzubilden. Aber das ist für diese Gutachter ein relativ einfacher Weg und darum ist die Diagnose "Somatisierungsstörung" so beliebt.
LG
ReallyAngry
Wer als Werkzeug nur einen Hammer hat, sieht in jedem Problem einen Nagel.
(Paul Watzlawik, Philosoph und Psychotherapeut, 1921-2007)

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Re: Beispiel einer Fehlbegutachtung?

Ungelesener Beitrag von vid » So 4. Aug 2013, 15:01

Pflegerische Beurteilung V.1.1.pdf
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Hallo reallyangry,

ich sehe das genauso. Mein Partner hat erst vor kurzem das MdK Gutachten anschaut und meinte, das ich da ganz knapp an einem Klinikaufenthalt vorbeigekommen.
Ich denke mal das mein Hausarzt das von mir abgehalten hat.
Mein Partner hat mal selbst eine Beurteilung meines Gesundheitszustand aus pflegerischer Sicht verfasst.
Ich habe es mal anghängt.

Liebe Grüße

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