Vorbereitung auf den Gutachtenstermin

Probleme, Erfahrungen, Tipps und Erfahrungsaustausch.
Benutzeravatar
Dummy
Beiträge: 293
Registriert: Fr 2. Jul 2010, 18:56
Hat sich bedankt: 3 Mal
Danksagung erhalten: 11 Mal

Vorbereitung auf den Gutachtenstermin

Ungelesener Beitrag von Dummy » Fr 10. Sep 2010, 18:06

Wenn es möglich ist, sollte man etwa 1 bis 3 Tage vor dem Gutachtenstermin (diese Vorgehensweise ist auch vor einer Kurmaßnahme sinnvoll) zum Haus- oder behandelnden Arzt gehen und den momentanen Gesundheitszustand feststellen lassen.

Unmittelbar nach dem Gutachtenstermin sollte dann wiederum der momentane Gesundheitszustand festgestellt werden, wenn eine Verschlechterung eingetreten wäre. Oftmals ist ein Gutachtenstermin anstrengend und der momentane Gesundheitszustand wird durch den Gutachtenstermin verschlimmert. Diese Verschlimmerung sollte ärztlich festgehalten werden. Verschlechtert sich schon durch einen Gutachtenstermin der Gesundheitszustand, kann man davon ausgehen, dass durch eine Erwerbstätigkeit der Gesundheitszustand ebenfalls verschlechtert wird.

Dies läßt darauf schließen, dass eine Erwerbstätigkeit nur auf Kosten der Restgesundheit stattfinden würde. So etwas darf nicht sein und würde deshalb auf die Notwendigkeit der Zahlung einer Erwerbsminderungsrente hindeuten. Ein Nachschautermin beim behandelnden Arzt nach dem Gutachtenstermin ist also dann wichtig, wenn durch den Gutachtenstermin eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes eingetreten ist, ansonsten nicht.

Für den zu Begutachtenden besteht in jedem Fall die „Pflicht zur Mitwirkung“, d.h. er muss sich einer gutachterlichen Untersuchung unterziehen, wenn der jeweilige Versicherungsträger und/oder das Gericht diese Untersuchung für notwendig hält. Aber auch die Mitwirkungspflicht hat Ihre Grenzen. Zu beachten ist hier § 65, Abs. 2, SGB I. Hiernach können Behandlungen und Untersuchungen nur dann abgelehnt werden,

-bei denen im Einzelfall ein Schaden für das Leben oder die Gesundheit
-mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ausgeschlossen werden kann,
-die mit erheblichen Schmerzen verbunden sind,
-die einen erheblichen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten.

Mitwirkungspflicht bedeutet u.A. auch, dass man unangenehme und Fragen deren Sinn man zunächst nicht sieht, beantworten soll. Sie können allerdings fragen, warum diese Frage gestellt wurde um dann zu entscheiden, ob die Frage beantwortet werden soll oder nicht. Wollen Sie bestimmte Untersuchungsmethoden verweigern, ist es immer und unbedingt sinnvoll, diese Verweigerung plausibel zu begründen (z.B. weil gerade diese Untersuchung erst vor kurzem gemacht wurde). Ansonsten wirkt sich eine Verweigerungshaltung verständlicherweise negativ aus. Insgesamt gesehen ist es meist besser die eine oder andere Frage „zu viel“ zu beantworten, auch wenn manche Fragen zunächst unverständlich erscheinen. Regelmäßig ist es nicht so, dass ein Gutachter überflüssige Fragen stellt, oft verhält es aber sich so dass der zu Untersuchende den Hintergrund der Frage nicht versteht, weil ihm das nötige Fachwissen fehlt. Gleichartig gilt dies für durchzuführende Tests und Untersuchungen.

Eine sorgfältige Vorbereitung auf jeden Gutachtenstermin ist notwendig. Jeder Gutachtenstermin ist wichtig, es gibt immer Auswirkungen auf das gesamte Rentenverfahren. Der zu Begutachtende hat die Pflicht bei der Begutachtung vollständig, umfassend und wahrheitsgemäß mitzuwirken, was eindeutig im Interesse des zu Begutachtenden ist. Der Gutachter hat ähnliche Verpflichtungen, nämlich den Gesundheitszustand vollständig, umfassend und wahrheitsgemäß aufzuklären. Ein Termin beim Gutachter ist eine nicht alltägliche Situation, bei der leicht etwas vergessen werden kann. Im Sinne der Mitwirkungspflicht ist es deshalb angebracht einen „Spickzettel“ vor dem Gutachtenstermin anzufertigen und eventuell zusätzlich ein Krankheits- bzw. Schmerztagebuch.

Ein Exemplar des Spickzettels, bzw. des Krankheits- bzw. Schmerztagebuches geben Sie beim Gutachtenstermin ab. Es ist eine Erleichterung für den Gutachter, wenn er ihre Angaben schriftlich vorliegen hat. Sie machen für Ihre eigenen Unterlagen Kopien von Allem was Sie beim Gutachter abgeben. Der „Spickzettel“ sollte wenn möglich nicht länger als 4 Seiten sein. Er soll alles das enthalten, was in den sowieso schon vorliegenden Arztberichten nicht steht. Zwei Personen mit dem gleichen Krankheitsbild (also der gleichen Diagnose) können diese gleiche Krankheit völlig unterschiedlich erleben. Einschränkungen im Alltag sind -wichtig- zu benennen. Glaubhafte Beschreibungen, ohne Dramatisierungen sind angebracht. Der Spickzettel kann zweigeteilt sein und 1. aus der chronologische Entwicklung Ihrer Krankheiten bestehen und 2. die Beschreibung der krankheitsbedingten Einschränkungen des Alltags beinhalten (hierzu später mehr).

Die Chronologie soll auch „Kleinigkeiten“ enthalten, wenn diese sich auf die Resterwerbsfähigkeit auswirken. Kriterium für eine Rentengewährung ist nicht die Krankheit an sich, sondern deren Auswirkungen auf die Resterwerbsfähigkeit. Erkrankungen, die sich nicht auf die Resterwerbsfähigkeiten auswirken sollten deshalb nur ganz kurz gefasst aufgeführt werden. Auch die Ursachen der Krankheiten sind für ein Rentenverfahren weniger interessant. Wichtig sind die Funktionseinschränkungen und die Auswirkungen auf die Resterwerbsfähigkeit. In der Chronologie führen Sie jede Erkrankung getrennt in je einem Abschnitt auf, stellen deren Entwicklung über die Zeit dar und schreiben am Schluss des jeweiligen Abschnittes, in welcher Intensität / Stärke / Ausprägungsgrad Sie selbst diese Krankheit jetzt, bzw. zum Rentenantragstermin erleben. Diagnosen können, müssen Sie aber nicht aufführen, Sie müssen Ihre Beschwerden Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen aufführen und dies möglichst kurz und treffend. Krankenhausaufenthalte können Sie in tabellarischer Kurzform (von - bis, wegen, Ergebnis) aufschreiben, ebenso die Erkrankungen/Beschwerden weiter zurückliegender Jahre.

Ausführlicher beschreiben sollten Sie die Beschwerdeentwicklung und den Niedergang Ihrer Erwerbsfähigkeit seit etwa 1 Jahr vor dem Rentenantrag, mindestens aber der letzten 3 Jahre (wenn der Rentenantrag noch nicht so lange zurückliegt), bei Unfällen ab dem Unfalltag. Eine Darstellung von ausgeheilten Krankheiten ist nicht unbedingt nötig. Sehr gründlich darstellen müssen Sie das, was sich seit etwa 1 Jahr vor der Rentenantragstellung direkt auf die Resterwerbsfähigkeit auswirkt. Wenn sich ausgeheilte Krankheiten (z.B. Krebs) aber auf den psychischen Zustand auswirken, dann soll dies ausführlich aufgeführt werden.

Im zweiten Teil des Spickzettels stellen Sie die Einflussnahme der schlimmer werdenden Krankheiten auf Ihre Erwerbsfähigkeit und auf Ihr Leben dar und dies im weiteren Sinne, also auch die Auswirkungen der Erkrankungen auf die „Erwerbsfähigkeit“ in Haushalt, Garten und täglichem Leben. Auch sollte die Art der Einschränkungen beschrieben werden (z.B. Schwindel - schwankend, drehend, usw.), die Häufigkeit (z.B. zweimal pro Tag), Dauer (z.B. für jeweils 2 Stunden, die ganze Nacht,...), Intensität (z.B. stark, bis zur Ohnmacht hinführend, mit Schwarzwerden vor den Augen, nicht ohne Schmerzmittel aushaltbar,...) und Auswirkungen (z.B. Ich muss mich sofort hinlegen/hinsetzen, sonst falle ich auf den Boden). Auch müssen Sie angeben, welche Fähigkeiten im Verlauf der Krankheit verloren gegangen sind, was konnte vor der Krankheit problemlos gemacht werden (Sport, lange Spaziergänge, Bücher lesen) und was geht jetzt nicht mehr.

Bei Anfallsleiden ist es wichtig Beispiele für die Auslöser eines Anfalls im „Spickzettel“ aufzuführen. Z.B. wenn einsetzender Stress einen Anfall oder eine Anfallsserie auslöst, dann muss beschrieben werden, wodurch der Stress verursacht wird, z.B. durch Men-schenansammlungen in einem Supermarkt, oder beim Besuch von öffentlichen Veranstal-tungen, oder durch eine etwa einstündige Konzentration auf irgendeine Sache, oder durch den Aufenthalt in einer fremden Umgebung. Letztendlich gibt es unzählige Möglichkeiten, die immer individuell unterschiedlich sind. Regelmäßig lösen die Situationen, die ein an einem Anfallsleiden Erkrankter vermeidet, einen Anfall aus. Diese Vermeidungen gesche-hen oftmals sogar unbewusst. Hier muss man sich also fragen: „Welche Situationen, die für einen Gesunden normal sind, vermeide ich ?“ Darüber hinaus soll beschrieben wer-den, wann und wie lange die Anfälle dauern. Wenn ein Anfall generell Nachts kommt, egal zu welcher Tageszeit der Anfallsauslöser stattgefunden hat, dann muss man dies genau-so angeben.

Auch die Zeitdauer (z.B. ein Anfall dauert meist etwa 3 Stunden, wobei ein langsames Abklingen in der letzten Stunde stattfindet) und die Häufigkeit (z.B. etwa 3 bis 4 Mal pro Woche) der Anfälle muss man angeben. Finden die Anfälle Nachts statt folgt daraus zwingend, dass am nächsten Tag Einschränkungen bei den Tagesaktivitäten nötig sind. Dies ist zwar für jeden Menschen logisch, muss aber entsprechend beschrieben werden, weil der Schweregrad der Einschränkungen bei den Tagesaktivitäten und deren Zeitdauer bei jedem Menschen unterschiedlich sind. Manchmal sind die Tagesaktivitäten nur für 2 oder 3 Stunden am nächsten Vormittag leichtgradig eingeschränkt, eine andere Person muss den ganzen nächsten Tag im Bett liegen und kann gar nichts tun.

Ein Gutachter oder Ihr Arzt, auch wenn er besonders vertraut ist mit Ihnen, steckt nicht in Ihrem Körper und kann deshalb das persönliche Erleben einer Krankheit nicht besser beschreiben als Sie selbst. Deshalb ist eine Gegenüberstellung der Tätigkeiten die Sie früher ausführen konnten und jetzt nicht mehr im zweiten Teil des „Spickzettels“ notwendig. Bei der Gegenüberstellung soll auch der Grund beschrieben sein, warum Sie die Tätigkeiten nicht mehr ausüben können. Bei Unfällen stellen Sie bitte auch den Zustand vor dem Unfall dar.

Den Gesamt-Spickzettel kopieren Sie, bevor sie ihn bei einer Begutachtung etc. abgeben, damit Sie die Angaben später nachvollziehen können. Es ist meist auch günstig, die Rohfassung des Spickzettels vorab einem erfahrenen Rechtsberater vorzulegen, damit ggf. sachdienlicher formuliert werden kann, damit Überflüssiges herausgenommen und Wichtiges ergänzt werden kann.

Wenn Sie nicht mehr in der Lage sind einen Spickzettel vollständig selbst zu schreiben und eine Vertrauensperson hilft Ihnen dabei, soll dies auf dem Spickzettel vermerkt sein. Z.B. „ Diesen persönlichen Bericht hat eine Vertrauensperson / meine Frau für mich geschrieben, weil ich das selbst nicht mehr kann / weil ich mich gar nicht mehr konzentrieren kann, weil ich den Kuli nicht mehr halten kann. Ich selbst habe auch schon Vieles vergessen. Für diesen Bericht habe ich insgesamt 5 Tage -an jedem Tag etwa 1,5 Stunden- benötigt.“

Hilfreich ist es immer auch, wenn Sie ein bis zwei Wochen vor einem Gutachtenstermin, Kurbeginn usw. ein Krankheitstagebuch über den Zeitraum einer Woche schreiben. Dort sollen alle gesundheitsbedingten Schwierigkeiten während des Tagesablaufes mit Zeitangabe enthalten sein. Das Tagebuch sollten Sie immer griffbereit haben, also immer alles sofort aufschreiben, nicht am Abend gesammelt. Sie fangen früh an. Wenn Sie schlecht und / oder nur wenige Stunden geschlafen haben, wie zerschlagen aufgestanden sind, Morgensteifigkeit für eine Stunde hatten usw. muss dies vermerkt sein. Geht das Zähneputzen nicht wg. Rückenschmerzen - aufschreiben. Auch wenn die sonstige Hygiene nicht richtig ausgeführt werden konnte und sie sich dann wegen eventueller Gerüche nicht unter die Menschen trauen, sollen Sie dies aufschreiben. Jede Einschränkung soll notiert werden, immer mit dem Grund warum dies nicht ging. Es sollen auch Einschränkungen aufgeschrieben werden, die für Sie schon „normal“ geworden sind, für einen Gesunden aber keineswegs normal sind. Es kommt nicht darauf an, dass alles „schick“ geschrieben ist. Es muss lesbar sein, vom Inhalt her verständlich und es muss den Tatsachen entsprechen, es soll nichts vergessen und nichts zu viel geschrieben werden.

Bei Vorhandensein einer Schmerzerkrankung oder auch ansonsten gravierender ständi-ger Schmerzen ist es wichtig ein bis zwei Wochen vor einem Gutachtenstermin, Kurbe-ginn usw. ein Schmerztagebuch über den Zeitraum von einer Woche mit Uhrzeitangaben zu schreiben. Das Schmerztagebuch ist durch einen Schmerzfragebogen zu ergänzen. Den Schmerzfragebogen der Universität Kiel bekommen Sie z.B. unter der Internet-Adresse: http://www.schmerzklinik-kiel.net/Schmerzfragebogen.pdf, er kann verwendet werden, wenn es um die Rente von der Deutschen Rentenversicherung oder von Versor-gungswerken geht, außerdem wenn es um Behindertensachen oder Krankenkassensa-chen geht. Wenn es um Leistungen von einer Berufsgenossenschaft geht, können Sie den Schmerzfragebogen der Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil Universitätsklinik Bochum verwenden. Sie finden diesen unter der Internetadresse: http://anaesthesia.de/data/Fragebogen.pdf Das Schmerztagebuch soll mit einer kurzen Beschreibung der gesamten Schmerzsituation auf einem Extra-Blatt am Morgen nach dem Aufstehen am ersten Tag beginnen (einmalig, muss nicht jeden Tag wiederholt werden). Beschrieben werden soll der Ort an dem die Schmerzen auftreten und in welcher Intensi-tät und Art (z.B. ziehende, hämmernde, gleichmäßige Schmerzen ...). Es soll auch aufge-schrieben werden, ob der Schmerz an einem Ort bleibt, oder wandert. Wichtig ist auch die Angabe, ob z.B. ein Grundschmerz im gesamten Körper vorhanden ist, der niemals weg-geht und darüber hinaus besonders stärkere Schmerzen an einzelnen Orten. Auch wenn niemals Schmerzfreiheit eintritt, sich nur die Intensität ändert, ist dies Tatsache unbedingt anzugeben. Für die restliche Tageszeit kann z.B. das Schmerztagebuch wie unter http://www.hexal-elements.de/serviceart ... uch_A6.pdf zu finden, verwendet werden.

Ganz zuletzt in diesem Kapitel, aber dennoch unbedingt wichtig: Hängen Sie an den Spickzettel einen ausführlichen Tagesablauf an. Dargestellt werden soll ein typischer Wo-chentag, so wie er überwiegend bei Ihnen stattfindet. Es soll Alles beschrieben werden, so wie es stattfindet. Wenn Sie Ihre Tätigkeiten unterbrechen müssen, z.B. wegen Erschöp-fung oder wegen Schmerzen, dann müssen diese Unterbrechungspausen auch aufgeführt werden, ansonsten bringen Sie den Gutachter auf eine völlig falsche Fährte und der Gut-achter kann dann nichts dafür. Ein Beispiel: Schreiben Sie, dass Sie von 0900 Uhr bis 1230 Uhr leichte Hausarbeiten erledigen, dann sind das 3,5 Stunden „Ersatzerwerbstätig-keit“ und die Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente (unter 3 Stunden) ist schon nicht mehr möglich. Schreiben Sie aber, dass Sie von von 09:00 bis 10:00 Uhr und von 11:00 bis 12:30 Uhr leichte Hausarbeiten erledigen und in der Stunde dazwischen erschöpft ausruhen müssen, sind das nur 2,5 Stunden „Ersatzerwerbstätigkeit“ und die Zahlung der vollen Erwerbsminderungsrente ist noch möglich. Hausarbeiten, Gartenarbeiten usw. wer-den quasi als „Ersatzerwerbstätigkeiten“ angenommen, wenn die Resterwerbsfähigkeit eingeschätzt werden soll. Wer Hausarbeiten vollständig erledigen kann, der kann auch noch eine mittelschwere Erwerbstätigkeit ausüben, denn Hausarbeiten sind nur zum Teil leichte Arbeiten.

Quelle
lg Dummy

Antworten

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast